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Nachruf auf Professor Dr. Erich Kleinschmidt

* 25.9.1946 – † 13.07.2021

 

Das IdSL1  trauert um Prof. Dr. Erich Kleinschmidt, der nach langer schwerer Krankheit in Freiburg verstorben ist.

Prof. Kleinschmidts Forschung, Lehre und Nachwuchsförderung haben unser Institut zwischen  1992 und 2012 in besonderer Weise geprägt. Seine herausragende Expertise bestand im Brückenschlag zwischen dem Mittelalter und der Moderne: Mit Arbeiten zum  Minnesang als höfischem Zeremonialhandeln oder zur mittelalterlichen Stadt als Umwelt der Literatur hat er die Mediävistik bereichert, zur Forschung der Frühen Neuzeit hat er mit Studien zu Scherzrede und Narrenthematik im Heidelberger Humanistenkreis sowie zum Rotwelsch um 1500 wichtige Beiträge geliefert und in der Neueren deutschen Literaturwissenschaft hat er vor allem anderen die Epoche der literarischen Moderne in den Blick genommen und hier die Forschung zur Literatur der Jahrhundertwende, zu Expressionismus, Weimarer Republik und Exil nicht nur durch eigene Studien bereichert, sondern auch mannigfaltige Untersuchungen bei seinen Doktorand*innen und Mitarbeiter*innen angeregt.  Auch im Bereich der Literaturtheorie hat er umfangreich geforscht – so etwa zur Theorie der Autorschaft als Sprachbewusstsein oder zur Intensität als bedeutende Denkfigur des 18. Jahrhunderts.

Gerade an seiner letzten Studie zur Figur der Intensität zeigt sich vorbildlich, was Kleinschmidt lebenslang interessierte: nämlich ein anderes Denken, das anstelle von Definitionen und Eindeutigkeiten Zonen der Unbestimmtheit, der plötzlichen Begegnung, des Graduellen und des sich jeder Festlegung und Vereinnahmung Entziehenden bestimmt und erforscht. Seine Aufmerksamkeit galt dabei immer auch dem materialen Bestand der deutschen Literatur, den er durch sorgfältige Textausgaben bereichert hat: Er war ein philologisch versierter Editor frühneuzeitlicher Versepen wie auch von Texten moderner Autoren wie Alfred Döblin oder Carl Einstein. Kleinschmidt verstand es, das Archiv zu beleben und gerade in als abseitig geltenden, vom Mainstream ignorierten Quellen Bausteine für seine andere Geschichte der Moderne zu finden. Praktisch hat er seine Liebe zu Büchern verbunden mit einer besonderen Liebe zu unserer Institutsbibliothek, die er über viele Jahre mit großer Hingabe betreut und durch seine Anschaffungen und Ankäufe wichtige Lücken, z.B. im Bereich der Exilforschung, geschlossen hat.

Aber nicht nur als Forscher, sondern besonders auch als akademischer Lehrer und Mentor hinterlässt Kleinschmidt eine nicht zu füllende Lücke. Bis zu seiner Emeritierung hat er durch seine Seminare und Arbeiten mehrere Generationen von Kölner Student*innen und Doktorand*innen sowie Assistent*innen und Mitarbeiter*innen geprägt. Seine Forschung und Lehre bewegte sich stets jenseits der gesicherten Fachgrenzen: Ihm ging es immer um die Erschließung von Neuem statt um die Wiederholung von bereits Bekanntem. Zu dieser Aufgeschlossenheit gegenüber dem Neuen und Unerwarteten, zu diesem Mut zur Offenheit hat er seine  Doktorand*innen und Mitarbeiter*innen stets ermutigt, was deren Wissenschaftsverständnis grundlegend geprägt hat.

So schmerzhaft wie der wissenschaftliche ist der menschliche Verlust: Gespräche mit Erich Kleinschmidt waren stets Anleitung und Anlass, eigene, neue Ideen zu entwickeln. Für seine Studierenden hatte er immer Zeit und er förderte wie wenig andere die Diskussion über Literatur und Theorie auch jenseits der Lehrveranstaltungen. Kleinschmidt verband auf vorbildliche Weise wissenschaftliche Ernsthaftigkeit mit einer einnehmenden Geselligkeit. Seine akademische Vita, die ihn von Freiburg nach München und schließlich nach Köln führte, dokumentiert sein großes Commitment in Forschung und Lehre, aber auch in der akademischen Selbstverwaltung. Er hat alle diese Aufgaben eines Professors, auch als er bereits schwer erkrankt war, mit großer Ernsthaftigkeit und Hingabe bis zu seiner Pensionierung erfüllt. Den mit seiner schwindenden Gesundheit einhergehenden Einschränkungen begegnete er, solange dies eben ging, durch Verstärkungen seines Engagements in der Lehre und durch die Niederschrift neuer Ideen.

Wir werden Erich Kleinschmidt als Forscher, Kollegen, Mentor und Freund sehr vermissen.  

 


 


Kontaktadressen für Nachfragen bzgl. Publikationen o.ä.:

  • Susanne Couturier, Geschäftsführung IdSL I: s.couturier(at)uni-koeln.de